Cookies helfen uns bei der Bereitstellung unserer Website. Durch die Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen.

Statt einer Einleitung

Versmold im historischen Überblick

Die Anfänge des heutigen Versmold führen uns zurück ins hohe Mittelalter. Zwei Urkunden, die in die Jahre zwischen 1068 und 1070 zu datieren sind, berichten von einem „Versmel“. Und eine regelrechte Kirchengemeinde – ein „Kirchspiel“, wie es früher hieß – wird erstmals in einer Urkunde vom 24. Februar 1096 erwähnt. Damals übertrug die Äbtissin des Klosters Herzebrock den zu ihrem Kloster gehörenden Hof „Hengilaga, im Kirchspiel Versmold (in parochia Fersmel) gelegen … in den ewigen Besitz der Kirche Sankt Petri“. 1096 ist also das Jahr, ab dem die Existenz der Petrikirche sowie der zugehörigen Gemeinde bezeugt ist. Und der Hof Hengelage in Loxten hatte entscheidenden Anteil daran, dass diese Gemeinde mit ihrer Kirche genügend Einnahmen hatte.

Zu jener Zeit war das heutige Versmold noch kaum besiedelt. Nur wenige Hofstellen, auf dem weitflächigen Gebiet verstreut, fanden sich hier. Inmitten einer dicht bewaldeten, feindlich anmutenden Umwelt gelegen, schufen sie kleine Inseln kultivierten Landes. Es brauchte Generationen, um den Wald schrittweise zu roden und das Land urbar zu machen. Hof um Hof siedelte sich an – Nachbarschaften entstanden und aus ihnen wiederum erwuchsen jene Bauerschaften, die wir bis heute als Versmolder Ortsteile kennen.

 Aus den historischen Wurzeln schöpfend wird deutlich, dass die Anfänge des kulturellen Erbes dieser Stadt im bäuerlichen Umfeld liegen. Und so gehört es zur Aufgabe dieses kleinen Stadtführers, prägnante Beispiele der bäuerlichen Kultur und Geschichte in den einzelnen Ortsteilen vorzustellen. Zugleich gilt aber auch, dass nicht allein die bäuerlichen Profanbauten, sondern auch das kirchliche Erbe zu den Grundlagen der Stadt gehören. Vom Altarstein in der Kapelle auf dem Peckeloher Schultenhof über die bemerkenswerte Geschichte der Bockhorster Dorfkirche bis zur Petrikirche in Versmold selbst reicht der Bogen der Erinnerung.

Vom Mittelalter bis zur Neuzeit nahm die Versmolder Geschichte ihren ganz eigenen Fortgang. Auf der einen Seite kam es im Verlauf der Jahrhunderte zur schrittweisen Siedlungsverdichtung in den Bauerschaften. In Bockhorst sollte sich im Rund der kleinen Pfarrkirche sogar ein ganz eigenständiges dörfliches Leben entwickeln. Auf der anderen Seite entwickelte sich das Dorf Versmold mit der Petrikirche auf ganz natürliche Weise zum Zentralort des Kirchspiels. Sonntag für Sonntag strebte die Bevölkerung aus den Bauerschaften zur Kirche und zu den Ahnen auf den Friedhof, der bis 1842 an der Kirche lag. Und sonntags war auch der eigentliche Handelstag. Nach dem Dreißigjährigen Krieg erblühte der Leinenhandel. Und mit der Verleihung der so genannten „Weichbildgerechtigkeit“ durch den Großen Kurfürsten 1654 durfte in Versmold regelrechter Handel, z. B. mit Leinenwaren, getrieben werden. Rasch etablierten sich erste Händler, denen die Bauern an den Sonntagen nach dem Kirchgang ihre überzähligen Leinentuche verkauften. Im Nachvollzug der Verleihung des „Stadttitels“ für den Zentralort Versmold im Jahre 1719 verstärkte sich diese Entwicklung noch. In den darauf folgenden Jahrhunderten wurden Leinenproduktion und Leinenhandel für viele Versmolder sogar zur Haupttätigkeit.

Langsam aber sicher entwickelte sich eine bürgerlich geprägte Bevölkerungsschicht am Zentralort Versmold, die Landwirtschaft nur noch für den Eigenbedarf betrieb. Haupterwerbszweige wurden Handwerk und Handel. Bemerkenswerte Bürgerhäuser entstanden, deren eindrucksvollstes noch heute die so genannte „Mairie“ am Marktplatz ist. In der zweiten Häfte des 19. Jahrhunderts, insbesondere in der Zeit des zweiten Deutschen Kaiserreichs (1871-1918), entstanden sogar regelrechte Villen; das Verwaltungsgebäude des Gymnasiums an der Ravensberger Straße repräsentiert den Typus bis heute. Und als die Leinenindustrie in die Krise geriet, übernahm die Fleischwarenindustrie in Versmold ihren Platz.

So reicht das Spektrum des Erinnernswerten von einzelnen Beispielen bäuerlicher Besiedlung bis zu den Ausdrucksformen bürgerlichen Lebens und Wirtschaftens in der Neuzeit. Die bemerkenswerte Dichte der historischen Orte im Versmolder Stadtgebiet hat die „Hans Reinert Stiftung“ in Zusammenarbeit mit der Stadt Versmold schon vor Jahren dazu animiert, kulturell wertvolle Stätten und Plätze im gesamten Stadtgebiet zu erfassen und sie dann ortsteilweise auszuschildern. In jedem Ortsteil finden sich relevante „Meilensteine der Geschichte“. Manchmal sind sie sogar sehr präsent und tragen entscheidend zum Gemeinschaftsleben innerhalb ihres jeweiligen Ortsteiles und gleichermaßen zur kulturellen Vielfalt des gesamten städtischen Lebens bei. Beispiel hierfür ist etwa die Paul-Gerhardt-Kapelle in Hesselteich oder auch das Ensemble aus Dorfkirche und Fachwerkrund in Bockhorst. Allein schon deshalb schien es dem Verfasser sinnvoll, diesen kleinen Führer nach Ortsteilen zu gliedern. Am Schluss eines jeden Kapitels steht eine Ortsteilkarte, damit sich Interessierte leicht und schnell vor Ort ein eigenes Bild machen können.

Zum Schluss dieser Vorbemerkung sei all jenen gedankt, die die Entstehung dieses Projektes – mit Broschüre und Homepage – ermöglicht haben. Zu danken ist zunächst der Verwaltung der Stadt Versmold, die die kulturhistorische Ausschilderung des Stadtgebietes schon seit Jahren fördert. Federführend hat sich hier Frau Kerstin Walter engagiert; ohne ihren Einsatz wäre dieses Projekt wohl kaum zum Abschluss gekommen. Die graphische Gestaltung dieses Führers oblag Herrn Jan Bentfeld von der Versmolder Agentur „WerbeFeld“. Mit allergrößter Geduld, mit Sachverstand und Kompetenz hat er es vermocht, ein auch optisch gelungenes Werk zur Publikation zu bringen. Ein herzlicher Dank gilt schließlich der „Hans Reinert Stiftung“ mit Herrn Hans Reinert, Frau Ursula Schrewe und Altbügermeister Fritz Holtkamp an der Spitze. Seit gut einem Jahrzehnt widmet sich die Stiftung mit zäher Beharrlichkeit den Fragen der Heimatpflege in Versmold. Es war die „Hans Reinert Stiftung“, die die gesamte Finanzierung der kulturhistorischen Ausschilderung im Stadtgebiet übernommen hat. Und sie war es auch, die energisch am Plan eines kulturhistorischen Führers festgehalten und für seine Realisierung gesorgt hat. Das, was an diesem Werk gelungen ist, ist den benannten Damen und Herren zuzuschreiben, für das übrige trägt allein der Verfasser die Verantwortung.

Richard Sautmann

im Mai 2016